Don’t touch my Schengen – JEF setzt in Kehl ein Zeichen für Freizügigkeit
Am 23.11.2025 haben wir uns gemeinsam mit 80 weiteren engagierten Europäerinnen und Europäern aller Altersklassen vor dem Kehler Bahnhof versammelt, um ein deutliches Zeichen für offene Grenzen und die Einhaltung des Schengener Abkommens zu setzen. Unter dem Motto „Don’t touch my Schengen“ haben wir als Landesverband zusammen mit dem Kreisverband Kehl und der JEF Strabourg sowie mit weiteren Partnern im Rahmen unserer gleichnamigen Kampagne zum Protest aufgerufen.
Die Kundgebung fand unmittelbar gegenüber den derzeitigen Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Frankreich statt.
“So viele Menschen hier in Kehl zu sehen gibt Hoffnung. Europäer sind zusammen lauter als Nationalisten!”, begrüßte Etienne Herzog, Vorsitzender der JEF Kehl, die Versammelten und betonte die Absurdität von Strasbourg als “Capitale Européene”, während die Straßenbahn mit derselben Aufschrift nicht ohne Störung eine Grenze überqueren kann.
In ihren Redebeiträgen machten wir und unsere Partner darauf aufmerksam, dass die seit Jahren anhaltenden Binnengrenzkontrollen gravierende negative Folgen für Europa haben. Sie greifen massiv in die Freizügigkeit ein, verursachen wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe und belasten sowohl Pendlerinnen und Pendler als auch die Lieferketten zahlreicher Unternehmen. Gleichzeitig binden sie enorme Kapazitäten der Polizei, ohne einen erkennbaren Zugewinn an Sicherheit zu schaffen. Die Maßnahmen gelten zudem als rechtswidrig und gefährden durch pauschale Zurückweisungen grundlegende Rechte. Insgesamt handelt es sich aus Sicht der Demonstrierenden um symbolpolitische Schritte, die jahrzehntelange Errungenschaften der europäischen Einigung untergraben, die Gesellschaft spalten, neue Grenzen in den Köpfen errichten und rassistische Tendenzen bei Kontrollen begünstigen.
Sarah Reisinger, Vorsitzende der JEF Baden-Württemberg betonte: „Anstatt gemeinsam das Dublin-System für eine faire Verteilung von Geflüchteten zu reformieren, die Aufnahmekapazitäten der einzelnen Staaten zu stärken und sich für bessere Integrationspolitik und einen humaneren Asyldiskurs einzusetzen, greifen unsere Politiker lieber auf populistische Ideen zurück, die unsere europäischen Freiheiten und die europäische Einigung gefährden und attackieren. Ich bin nicht bereit, diese ganzen Errungenschaften, Freiheiten und Fortschritte der europäischen Geschichte über Bord zu werfen, nur um den Populismus und die Hilflosigkeit der Bundesregierung zu füttern.”
Die Teilnehmenden forderten daher ein Ende der Symbolpolitik und stattdessen echte europäische Lösungen, die Freizügigkeit, Sicherheit und Zusammenarbeit vereinen. Das betonte auch der Rechtsanwalt Schneider-Addae-Mensah: „Schengen hatte es immer schwer und war immer löchrig. Vor allem das Opt-Out für begrenzte Zeiträume mit fadenscheinigen Gründen führte und führt zu immer neuen Grenzkontrollen. Daher: weg mit dem Opt Out!„
Besonders emotional war auch der Redebeitrag von Dr. Elisabeth Heister und Niels Grammes von der Europa-Initiative St. Germanshof. Denn bereits 1950 demonstrierten rund 300 Studenten aus 8 verschiedenen europäischen Ländern für offene Grenzen innerhalb Europas, indem sie in St. Germanshof, im Niemandsland zwischen Rheinland-Pfalz und Frankreich, illegal über die Grenze traten, die Schlagbäume niederissen, anzündenten und eine Reklamation für ein gemeinsames Europa ohne Grenzen, einen europäischen Pass und eine europäische Regierung forderten. Elisabeth Heister erzählte, was als zweite Aktion wenige Wochen später folgte: „5000 Studentinnen und Studenten, dabei waren auch Professoren, aus mehreren europäischen Ländern, fuhren am 24. November 1950 mit Bussen nach Strasbourg. (..) Am Abend zogen sie von der Messehalle zum Europahaus. Dort demonstrierten sie vor der Haustür der Europäischen Versammlung. Sie forderten unter anderem ein föderales Europa und riefen die Versammlung dazu auf sich für ein gemeinsames Parlament einzusetzen.(…) Nehmen wir die Verantwortung wahr, die die jungen Menschen der 1950ger Generation bereits auf sich genommen haben und hören wir nicht auf ein echtes föderales Europa mit offenen Binnengrenzen zu fordern.“
Einblicke aus französischer Sicht gab außerdem Louis Ritter, Vorstandsmitglied der Jeunes Européens Strasbourg: „Nous sommes tous réunis aujourd’hui dans un contexte que l’on n’aurait jamais imaginé revenir. Car oui, après 40 ans, 40 ans d’ouverture des frontières, 40 ans de libre circulation, notre Europe souffre aujourd’hui, souffre de nouveau, de ces démons. Ces démons qui, il y a plus de 70 ans, avaient justifié sa création. Le renfermement sur soi, la crainte de l’autre, la pensée qui consiste à dire que seul on peut tout, ensemble rien.“ (*Übersetzung unten)






Unterstützt wurde die Veranstaltung durch die Grünen Ortenau/Kehl, Julis BW, die Europainitiative St. Germanshof, Jusos BW, den Rechtsanwalt Dr. David Schneider-Addae-Mensah und den ADFC Ortenau.
Weitere Informationen zur Kampagne finden sich hier. Wenn ihr die „Don’t Touch my Schengen“-Kampagne weiter unterstützen wollt, könnt ihr außerdem unsere Petition unterschreiben!
* deutsche Übersetzung: “Wir sind heute alle in einem Kontext versammelt, den wir nie für möglich gehalten hätten. Denn ja, nach 40 Jahren, 40 Jahren der Öffnung der Grenzen, 40 Jahren der Freizügigkeit, leidet unser Europa heute erneut unter diesen Dämonen. Diesen Dämonen, die vor mehr als 70 Jahren seine Gründung gerechtfertigt hatten. Die Abschottung, die Angst vor dem Anderen, die Vorstellung, dass man alleine alles erreichen kann, gemeinsam aber nichts.“